29.11.2024 Was bleibt vom Antirassismus?

»Fachkräfte werden abgeschoben«

Sündenböcke aus der Reserve: Zugewanderte werden drangsaliert. Ein Gespräch mit Tareq Alaows

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IMAGO/Steinsiek.ch So mancher Polizist wartet feixend darauf, den nächsten Migranten abzuschieben

Tareq Alaows ist flüchtlingspolitischer Sprecher und Referent für Kampagnen und Netzwerkarbeit bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.

Die antirassistischen Proteste des Jahresbeginns sind verhallt. Was ist aus ihnen geworden?

Nichts. Geflüchtete Menschen sind wieder die Sündenböcke für alle Probleme. Statt in Wohnraum, Infrastruktur und Klimaschutz zu investieren, setzt die Bundesregierung auf Abschiebung.

Hat sich die Situation von Migranten verschlechtert?

Ja. Das sogenannte Sicherheitspaket unterstellt, dass man die Bevölkerung vor Geflüchteten beschützen muss. Menschen, die zum Teil nicht einmal freiwillig ausreisen dürfen, sollen alle sozialen Leistungen gestrichen werden. Wenn Geflüchtete auf der Straße verhungern, wird Deutschland kein Stück sicherer. Das ist doppelt gefährlich: für die Betroffenen einerseits, andererseits höhlt es den Rechtsstaat aus.

Der deutsche Arbeitsmarkt ist auf Erwerbsmigration angewiesen. Wie wirken sich die Asylrechtsverschärfungen darauf aus?

Es werden Fachkräfte abgeschoben. Letzten Freitag traf es einen Kfz-Mechaniker. Er arbeitete hier zwei Jahre lang und erfüllte alle Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel. Aber statt den zu bekommen, wurde er festgenommen und abgeschoben. Als in Niedersachsen zehn kolumbianische Pflegekräfte abgeschoben werden sollten, drohte die Schließung des Pflegeheims. Solche Fälle begegnen uns in den letzten Wochen fast täglich.

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Abschiebung trotz Integration?

Ja. Kommunen werden von der bundesweiten Debatte unter Druck gesetzt, mehr abzuschieben. Einzelfälle werden nicht mehr vernünftig entschieden.

Und die Neuankömmlinge?

Ich kenne viele Menschen, die sagen: Ich bin motiviert, ich will die Sprache lernen, will arbeiten. Dann müssen sie sich mit Bürokratie herumschlagen und werden isoliert. Erstaufnahmeeinrichtungen liegen meist außerhalb. Sie dürfen nicht arbeiten, nicht bei Angehörigen wohnen. Bei Geflüchteten aus der Ukraine wird es richtig gemacht: Sie bekommen sofort Schutz, Arbeitserlaubnis und freie Wohnortwahl. Das entlastet sogar die Gemeinschaftsunterkünfte.

Wie gehen Zugewanderte mit dieser Drangsalierung um?

Sie sind sehr besorgt. Selbst einige, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, sagen, dass sie ungern hier bleiben würden. Sie spüren, dass sie zur Zielscheibe werden. Zwar zielen die Verschärfungen auf Asylsuchende, aber rechte Angreifer fragen nicht nach dem Aufenthaltsstatus. Wir sehen einen großen Anstieg bei Angriffen auf Geflüchtete.

Werden weniger Menschen einwandern?

Im Ausland bekommt man die deutsche Debatte mit. Wer würde freiwillig in einem Land leben, in dem Abschiebung, vielleicht sogar die eigene, täglich als Lösung aller Probleme dargestellt wird? In Neuseeland, Australien oder Kanada würden sie menschlicher behandelt. Da ist es egal, wie viel der deutsche Arbeitsmarkt ihnen bietet. Andere haben keine Wahl.

Wie könnte es besser werden?

Deutschland muss sich den Folgen seines Handelns stellen: Es exportiert Waffen, vernichtet Lebensgrundlagen, beutet global aus. Die Folge ist, dass Menschen fliehen müssen. Und deshalb müssen wir uns in Deutschland an die Grundrechte halten, dazu gehört auch das Recht auf Asyl.


Das Interview führte die Junge Welt, die weitere Hintergrundartikel zur rassistischen deutschen Einwanderungs- und Arbeitskräftepolitik brachte:
https://www.jungewelt.de/artikel/488829.erwerbsmigration-abh%C3%A4ngig-von-migranten.html

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