Herr Stillger macht weiter, wenn auch in anderer Tonlage (Update)

Rund hundert Leute haben die jüngste, rechtsextreme Einlassung des Herrn Stillger, erschienen im LOKALANZEIGER, zurückgewiesen. Das kostenlose Anzeigenblatt hat seitdem keinen Stillger-Text mehr gebracht.

(Update am 09.08.2023: In der jüngsten Ausgabe darf Stillger sich erneut als vermeintlicher Wirtschaftsfachmann gerieren, wiederum ohne den Vermerk „Anzeige“. Wird der LOKALANZEIGER somit zum inoffiziellen Wahlkampfblatt des CDU-Rechtsaußen?)

Dem Vernehmen nach handelte es sich nicht um eine redaktionelle Kommentarspalte, sondern faktisch um eine bezahlte Anzeige des Vermögensverwalters, die aber als solche nicht kenntlich gemacht war.

Man fühlt sich an den Satz des FAZ-Herausgebers Paul Sethe erinnert: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“, oder man denkt auch ein bißchen an die Art und Weise, wie die neue italienische, faschistische Ministerpräsidentin nach ihrer Regierungsübernahme die dortigen Medien in ihrem Sinne zurichtet.

Da finden wir es gut, daß der Protest von hundert Leuten diesem Limburger Spuk ein Ende machen konnte – vorerst.

Auf seinen eigenen Kanälen macht Stillger selbstredend weiter, wenn auch in anderer Tonlage. Ein paar Bemerkungen dazu von Courage.

Herr Stillger weicht aus

Der Offene Brief, der eine vielfach als unsäglich wahrgenommene Kolumne des „Unternehmers“ Max Stillger kritisierte, hat nicht nur eine notwendige Debatte über Rassismus und Chauvinismus in „bürgerlichen“ Kreisen angestoßen, sondern auch breite Unterstützung gefunden.

Herr Stillger behauptet, 85% der Leute glaubten seinen Erzählungen. Träfe dies zu, wäre das allerdings erschreckend. Zu 20% potentiellen AfD-Wählern darf man ohne weiteres Leute wie Maaßen, Linnemann, Frei und Willsch in der CDU hinzuzählen. Aber selbst die wildeste Stillger-Mathematik kann daraus mehr nicht als die Summe aus CDU plus AfD machen, das wären, horribile dictu, über 40%, aber noch lange keine 85%.

Noch gibt es Leute auch in der CDU, die der Maxime Norbert Blüms folgen: Wenn wir den Flüchtlingen nicht helfen wollen, sollten wir unseren Laden wegen moralischer Insolvenz schließen. Allerdings sägen dafür auch Sarrazin und neuerdings Faeser in der SPD, Baerbock und Palmer von den Grünen mehr oder weniger einvernehmlich an den verbrieften Grundrechten. Das übersehen.wir nicht.

Stillger bestätigt mit der Drohung: „wehe, da [in unseren künftigen Flugblättern] stehen Dinge drin, die nicht wahr sind“, indirekt, dass unsere Anwürfe ins Schwarze getroffen haben. Er nimmt seine rassistischen Entgleisungen nicht zurück, verzichtet aber zunächst darauf, sie zu wiederholen. Wir können nicht allen Gedankensprüngen des Kolumnisten folgen, was uns aber wichtig erscheint ist: Stillger teilt nun die Menschen, als wollte er auch unseren Vorwurf, aus sozialen Problemen biologische zu machen, noch bestätigen, in nützliche und überflüssige ein, in produktiv arbeitende und faul auf dem Sofa liegende usw. 

Man muß nur auf die Website seiner Firma schauen, um den Widersinn dieses Stammtischgeredes zu erkennen. „Von wachsender Globalisierung profitieren“ – Stillger prahlt, dort zu investieren, wo bei niedrigem Einsatz und Risiko der größte Profit winkt. Sehen wir einmal ab von den Opfern der Kriege, des Terrors, des Hungers, und nehmen den von Stillger als „Sozialtourist“ halluzinierten, vor der Weltwirtschaftsordnung Geflohenen: Der täte genau das, was Stillger und seinesgleichen jeden Tag tatsächlich tun, nämlich dort investieren, „Kapital“ dorthin transferieren, wo es am meisten abwirft.

Wer mit realen Flüchtlingen zu tun hat, weiß allerdings, was alles an Leid und Elend dazugehört, bevor jemand seine Familie und seine Heimat aufgibt, um in Europa seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen. 

Und die Stillgersche Schmähung von Sozialhilfe-Empfängern trifft ebenso deutsche Eingeborene wie Zugezogene. Es ist eine frappierende Doppelmoral, der zufolge es dem Geldkapital zusteht, wie ein „scheues Reh“ in Steuerparadiese zu enteilen, wenn irgendwo auch nur eine Frage nach angemessenen Gewerbe- oder Spitzensteuersätzen aufkeimt, und die im gleichen Atemzug reale Menschen in den Elendsquartieren dieser Welt einkesseln will.  

Generös lässt Stillger arbeitende Menschen den Mindestlohn empfangen, der in einem der reichsten Länder faktisch ein Hungerlohn ist. 

Sorgfältig ergänzt Stillger jedesmal, wenn er von Arbeit oder Arbeitern spricht, auch Handel bzw. Händler. Warum wohl? Weil er genau weiß, das sein eigenes Geschäft mit nützlicher Wirtschaftstätigkeit so viel zu tun hat, wie Silikonimplantate mit einem sozialen Gesundheitswesen.

Stillger zählt mit seiner Geldverwaltung zum „Overhead“ der Gesellschaft, er ist kein Händler, der nützliche Erzeugnisse vom Produzenten zum Verbraucher bringt, er ist Agent von Geldkapital, das Anlegemöglichkeiten sucht, um „Mehr“ zu werden. 

Geld „arbeitet“ nicht, es läßt andere arbeiten, und aus diesem Grundleiden unserer Wirtschaftsordnung entstehen nicht nur eine Menge Folgeerkrankungen, daraus speisen sich auch die Stillgerschen Beschimpfungen der Opfer dieser Verhältnisse, seien es mittellose Flüchtlinge oder arme Eingeborene. 

Stillger weiß es nicht, aber liefert genau die Argumente, die uns nicht nur sein Geschäft, sondern auch die Prinzipien, auf denen es beruht, als absurden Anachronismus erkennen lassen. 

Was Courage meint

Ein Gedanke zu „Herr Stillger macht weiter, wenn auch in anderer Tonlage (Update)“

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