12.07.2023 Offener Brief zu einem unsäglichen Kommentar (Update mit Diskussionsbeiträgen)

Sechzig Leute haben an örtliche Politik und Medien appelliert, einen Artikel des örtlichen Politikers Max Stillger im Lokalanzeiger nicht unkommentiert stehen zu lassen. Seither haben nahezu hundert Menschen den Offenen Brief unterzeichnet. Außerdem sind uns verschiedene Schreiben gleichgerichteten Inhalts an Presse, Politik und Werbetreibende in Kopie zugegangen.

Offener Brief mit aktueller Unterschriftenliste

Inzwischen gibt es auch Vorschläge, die Inserenten des Lokalanzeigers zu fragen, ob sie ihre Werbung neben solchen Hervorbringungen passend plaziert finden:

Was tun, wenn man rassistische Artikel liest?

Und hier noch für alle, die es nicht glauben wollen, Stillger im Originalton laut Lokalanzeiger sowie einige Reaktionen darauf, denen das Blatt eine ganze Seite einräumte.

 

Heute und diese Woche

6 Gedanken zu „12.07.2023 Offener Brief zu einem unsäglichen Kommentar (Update mit Diskussionsbeiträgen)

  1. Mirko Liefke hat uns seine Beschwerde an den deutschen Presserat mit einer eine eingehenden Untersuchung der Stillgerschen Veröffentlichung im Lokalanzeiger übermittelt:

    *** Beschwerde ***

    Unter völliger Missachtung publizistischer Sorgfaltsregeln und in der erkennbaren Absicht fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren, stellt die Kolumne eine insgesamt diffamierende und diskriminierende Scheinargumentation dar, welche die Grenzen einer reinen Meinungsäußerung durch bewusst irreführende Tatsachenbehauptungen eklatant überschreitet und die politische Willensbildung vorsätzlich beeinträchtigt. Ich sehe in den im Folgenden näher bezeichneten Stellen mindestens Verstöße gegen die Ziffern eins, zwei und zwölf des Pressekodex.

    Der Verfasser sucht zunächst mit einer herabwürdigenden Metaphorik und falschen Analogien die im weiteren Verlauf thematisierten Geflüchteten und „Nicht-Deutsche[n]“ zu entmenschlichen und zu objektivieren. Außerdem soll der wirklichkeitswidrige Eindruck einer sich exponentiell verschlechternden Entwicklung vermittelt werden, der wohl dazu dienen soll, den finalen Handlungsaufruf zu legitimieren.

    Unter dem Vorwand eines Rechenexempels, das auf abstoßende Weise an die propagandistischen Mathematik-Aufgaben in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert, werden sowohl die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Limburg-Weilburg als auch die durch „Zugereiste“ entstehenden Kosten prognostiziert. Der Autor bedient sich dabei einer eigenwilligen Extrapolation der vorhandenen Daten sowie der anekdotischen Evidenz des eigenen Augenscheins, was erhebliche Zweifel an der Eignung zur Interpretation der in Anschlag gebrachten Daten aufkommen lässt.

    Auf dieser Grundlage gipfelt der Text in volksverhetzenden Szenarien, die einen Untergang der „deutschen“ Bevölkerung beschreiben, die offenbar nicht nur kulturell, sondern auch genetisch homogen vorgestellt wird. Selbst wenn der Verlust der „eigenen DNA“ wiederum metaphorisch gemeint sein sollte, wird doch durch den Gesamtzusammenhang eine völkische Lesart mindestens begünstigt. In diesem Sinne und in offenbar diskriminierender Absicht werden „Flüchtlinge“ als „Sozial-Touristen“ diffamiert und letztendlich zum eigenhändigen Eingreifen „jede[s] Einzelne[n]“ aufgefordert. Auch in diesem letzten Appell ist eine klare Abgrenzung zu volksverhetzender Selbstjustiz nicht mehr zu erkennen.

    Selbst wenn man in der Kolumne einen noch durch die Meinungsfreiheit gedeckten Kommentar erkennen sollte, hätte es spätestens die redaktionelle Redlichkeit erfordert, der bewussten Irreführung durch die Kolumne durch Kontextualisierung und Richtigstellung entgegenzuwirken. Durch die unwidersprochene Veröffentlichung der für Manche sicher beängstigenden Falschbehauptungen leistet auch die Redaktion der Verbreitung diskriminierender Vorurteile Vorschub.

    Es mag kleinlich erscheinen eine Kolumne in einem wenig einflussreichen Anzeigenblatt zu rügen, doch stellen genau diese kleinen Zeitungen die publizistische Grundversorgung weiter Teile der Bevölkerung gerade im ländlichen Raum dar. Durch das fortschreitende Zeitungssterben gibt es vielerorts keinerlei Wettbewerb mehr, der als Korrektiv im öffentlichen Meinungsbildungsprozess fungieren könnte. Artikel wie der gerügte bleiben so allzu oft unwidersprochen. Dies gilt insbesondere, wenn sie wie vorliegend von finanzstarken Akteur:innen verfasst werden, mit denen sich der jeweilige Verlag gut stellen möchte. Gerade in solchen Fällen kommt deshalb den Organen der journalistischen Selbstkontrolle eine besondere Verantwortung zur Aufrechterhaltung presseethischer Standards zu, die leider tagtäglich unterschritten werden.

    In diesem Sinne würde ich mich über eine eingehende Prüfung des gerügten Artikels sehr freuen.

  2. Selten so einen Mist gelesen! Herrn Stillger Rechtspopulismus zu unterstellen, ist vollkommen lächerlich.

  3. Guten Abend, Herr Gasteier,
    wir haben Stillgers Kommentar gelesen, und der Offene Brief argumentiert dazu ausführlich, ebenso wie die Eingabe an den Presserat.
    Leider behalten Sie für sich, was daran lächerlich sein soll. Wir nehmen die Sache ernst.
    Etwas mehr Argumentation von Ihrer Seite wäre durchaus hilfreich.
    Mit freundlichen Grüßen

  4. Er hat doch mit seinen Aussagen vollkommen Recht. Die meisten Flüchtlinge wollen nicht integriert werden. Ein Großteil ist nicht in den Arbeitsmarkt zu integrieren, da die Motivation und die Ausbildung fehlen. Die Sozialkosten explodieren. Gehen Sie doch mal an einem Wochenende in eines der regionalen Freibäder, von den Großstädten ganz zu schweigen. Das Lächerlichste ist jedoch, dass Sie Herrn Stillger Rechtspopulismus unterstellen. Zitieren Sie ihn bitte an der Stelle, wo Sie glauben, er hätte sich RP geäußert. Es ist doch vielmehr so, dass linksorientierte Teile der Gesellschaft, die Minderheit in diesem Land, die Augen vor der Realität verschließen und somit denen, die sich integrieren wollen und dies in einigen Teilen auch tun, einen Bärendienst erweisen. Diese Art der „Zuwanderung“ ist in jedem Fall gescheitert und wird, ob es Ihnen und mir gefällt sei dahingestellt, politische Konsequenzen haben. Dafür tragen insbesondere die linksorientierten Gesellschaftsteile in unserer Land die Hauptverantwortung. Die Aberkennung der Realität hat noch nie zu etwas gutem geführt.

  5. Wie deutsche Faschisten auch, macht Stillger aus einem sozialen Problem ein biologisches, wenn er davon fabuliert, daß „wir … in zehn Jahren keine eigene DNA mehr“ hätten. Das ist völkischer Rassismus in Reinkultur. Nazis heben „arisches Blut“ und „deutsches Volk“ – bis zur Ermordung „niederer Rassen“ – in ihren Himmel. Unsere Grundrechte aber wurden nach der Befreiung ausdrücklich für alle Menschen festgeschrieben.
    Wo bei Stillger die „Flasche“ überläuft, ist es bei AfD-Gauland der „Wasserrohrbruch“ (FAZ, 24.02.2016), sie nutzen alle die gleichen unmenschlichen Metaphern für die sogenannte „Flüchtlingskrise“.
    Niemand behauptet, Integration sei eine leichte Übung. Aber was ist die Alternative? Herr Gauland und seine Nachfolger wollen sich „von Kinderaugen nicht erpressen lassen“, die Grenzen bewaffnet dicht machen und die Menschen weiterhin zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken lassen.
    Wenn irgendein Staat dieser Welt die Mittel für Bildung und Ausbildung, für Wohnung und Integration aufbringen kann, dann ist es dieser. Jahrelange eigene Erfahrungen mit Flüchtlingen aus Eritrea und jüngst der Ukraine zeigen, daß das geht.
    PS: Was übrigens „explodiert“, sind nicht Sozialkosten (nehmen wir die Kindergrundsicherung), sondern Rüstungsexporte und Kriegsanleihen (vulgo Sondervermögen). Das allerdings kann weltweit nur noch mehr Menschen in die Flucht treiben.

  6. “Linksorientierte Teile der Gesellschaft schließen die Augen vor der Realität“,.meint Herr Gasteier.
    Nein, das Gegenteil ist der Fall: Rechtsorientierte Teile der Gesellschaft, zu denen Herr Gasteier zweifelsohne gehört,nehmen die Realität nicht wahr!
    Mit einigem historischen Abstand wird erkannt werden, was die Massenflucht in die Wohlstands- und Friedensinseln der Welt im Kern eigentlich ist: Die den Industrienationen präsentierte Rechnung für die seit 500 Jahren betriebene Ausbeutung Afrikas, Südostasiens und des Nahen Ostens.Für die seit Jahrzehnten betriebene Aufrüstung dieser Regionen im Interesse der Rüstungsindustrie.
    Für die seit 1990 betriebenen chaotischen militärischen Interventionen und des so erst angeheizten Terrorismus.
    Und- in Zukunft verstärkt-für die Vernichtung ökologischer Lebensgrundlagen zum Zweck der Aufrechterhaltung eines durch und durch räuberischen Lebensstils.
    Flüchtlinge fliehen daher nicht nur zu uns, sondern auch vor uns!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert