Krankenhausalltag konkret – Bericht eines unserer „Helden“

Man hört in den Nachrichten nur von den COVID-19-Patienten, aber was geschah im Non-Covid-Bereich?

Wer möchte unter solchen Umständen in ein Krankenhaus? Ein Bericht aus einer großen Klinik in einer großen Stadt irgendwo in Deutschland.

In der ersten Welle wurden planbare Eingriffe verschoben, nicht unbedingt zum Vorteil der Patienten,die Dringlichkeit einer Operation erhöht sich im Zeitverlauf.

In der zweiten und dritten Welle musste auf den Intensivstationen die Bettenzahl der Non-Covid-Patienten reduziert werden, zugleich wurde die Gesamtzahl der Intensivbetten erhöht durch Personalrekrutierung aus anderen Bereichen.

Pflegekräfte von IMC-Stationen wechselten auf die Intensivstationen, Pflegekräfte aus anderen Bereichen wechselten auf die IMC-Stationen. Die vorgeschriebene Fachpflegequote von 60% auf Intensivstationen wurde ausgesetzt.

Vor der Pandemie mussten schon, aus Personalmangel, mehrere Pflegekräfte drei Intensivpatienten versorgen, dies wurde nun zur Regel. Nebenbei mussten die Pflegekräfte aus anderen Bereichen eingearbeitet werden.

Die Einarbeitungszeit eines neuen Mitarbeiters beträgt im Schnitt drei bis vier Monate, dann versorgt dieser erstmal die „leichteren“ Intensivpatienten.

Im Gegensatz zur ersten Welle war jetzt Anzahl der dringenden und akuten Fälle weitaus höher, dementsprechend die Versorgung komplexer und intensiver.

Auch im Non-Covid-Bereich kam ECMO-Therapie (Herz-Lungen-Ersatz Therapie) und Bauchlage regelmäßig zum Einsatz. Schwere Erkrankungen führten zu längeren Verläufen mit anschließender Verlegung in spezielle Rehabilitationskliniken. Bei Langzeitbeatmungen mit neurologischem Defizit spricht man von Postintensivsyndrom. Auch wurden Patienten mit Langzeitverlauf nach der Akutphase in andere Kliniken verlegt, um wieder Bettenkapazität zu bekommen. Es kam vermehrt zum Patientenaustausch, „Ihr bekommt einen akuten, wir übernehmen dafür einen stabilen Intensivpatient“.

Zusätzlich zur Versorgung der Intensivpatienten wurden von den Fachpfegekräften der Schockraum für externe Notfälle und die internen Notfälle versorgt. In solchen Situationen war auf der Intensivstation nur noch eine Notstandversorung möglich, Geräte und Medikamente am Laufen halten und auf akute Ereignisse reagieren. Im Schockraum gelten die gleichen Hygienevorschriften und Schutzkleidung wie im Covid Bereich, bei Weiterverlegung in den stationären Bereich muss man erst das Ergebnis des Covid-Abstrichs abwarten. Eine Ablösung des Kollegen im Schockraum war nicht möglich. Pausen konnten nicht genommen werden.

Durch falsch negative Covid-Abstriche kam es auch im Non-Covid Bereich vereinzelt zu COVID-19 Fällen. Dies bedeutete noch höhere Arbeitsverdichtung durch besondere Hygiene- und Isolationmaßnahmen.

Auffällig waren in der zweiten und dritten Welle die Häufigkeit der Notfälle im Schockraum und die Anzahl der Patienten die unter Reanimation in den Schockraum kamen. Ein Grund dafür könnte der Aufnahmestopp in anderen Kliniken gewesen sein oder die verspätete Arztkonsultation aus Angst vor Ansteckung mit Covid19. Wegen fehlender Intensivbettenkapazitäten wurden Patienten in entferntere Kliniken gebracht und starben unterwegs. Einige Patienten wurden stundenlang im OP weiterversorgt, weil es kein freies Intensivbett gab.

Extubierte, aber noch instabile Patienten, eigentlich intensivpflichtig, wurden auf den IMC-Stationen versorgt, mit einem noch geringeren Personalschlüssel als auf den Intensivstationen.

Bei geplanten, dringenden Operationen, wie zum Beispiel Bypass oder Klappenersatz am Herzen, wurden die Betten doppelt verplant. Die erste Operation kam mittags aus dem OP, nun fing die zweite Operation an, jetzt musste der erste Patient schnell kreislaufstabilisiert, vom Beatmungsgerät entwöhnt und extubiert werden, um schnell auf eine Überwachungsstation verlegt zu werden. Das heißt genau, dass eine Normalstation mit Monitorüberwachung Intensivpatienten betreuen musste. Diese sogenannte Fast-Track-Anästhesie erfordert hohe Konzentration, Aufmerksamkeit und bringt viel Stress für die Pflegekräfte.

Trotz auch dieser weiteren Arbeitsverdichtung erhielten diese Pflegekräfte keine Bonuszahlung.

Als Eklat ist die mangelhafte Schutzkleidung zu nennen, erst gab es keine ausreichenden Masken etc., dann wurden nicht geprüfte und nicht zertifizierte Masken in den Krankenhäusern und Pflegeheimen in Umlauf gebracht.

Durch fehlende Masken wurden bisherige Hygienestandards herabgesetzt, zum Beispiel durfte keine FFP-Maske mehr zur Versorgung von Tuberkulosepatienten verwendet werden. Das RKI erklärte den medizinischen Mund-Nasen-Schutz für ausreichend.

Übrigens: Im Pandemieplan von 2012 ist die Bevorratung von Masken und Schutzkleidung genau definiert.

Zu Spahns Maskenversagen wurde auch nicht allen Pflegekräften, die direkten Kontakt mit Covid-Patienten hatten, ein zeitnahes Impfangebot gemacht. Die direkten, im haushaltlebenden Angehörigen von Pflegekräften und Ärzten, welche direkten Kontakt zu COVID-19 Patienten hatten, wurden nicht in die Priorisierungsgruppen aufgenommen. Den outgesourcten Reinigungskräften im Infektionsbereich und den Leiharbeitskräften wurde auch ein sehr spätes Impfangebot gemacht. Die Politik hat die Ängste der Krankenhausmitarbeiter nicht ernst genommen.

Kein Wunder, dass durch die hohe Arbeitsbelastung und der hohen psychischen Belastungen viele Pflegekräfte an einen Pflexit denken.

Fazit: Durch das 2003 eingeführte Fallpauschalensystem sind die Kliniken gezwungen, hohe Fallzahlen zu schreiben. Man muss damit rechnen, dass die Fallzahlen zur Krankenhausfinanzierung weiter erhöht werden – und das bei völlig ausgepowerten Klinikspersonal. Behandlungs- und Hygienefehler werden sich in Zukunft bestimmt nicht verringern.

Forderungen: Weg mit dem Fallpauschalensystem

Krankenhäuser dürfen keine Gewinne erzielen

Eine Personalbemessung ist dringend erforderlich

Zertifizierte Schutzkleidung für Klinikspersonal

Umsetzung der PflegeComebackStudie

Heute und diese Woche