Zunächst möchte ich eine Sache klarstellen:
Was in Gaza passiert, hat nichts mehr mit Selbstverteidigung gegen die Hamas zu tun. Es ist kein Krieg oder Konflikt, sondern ein gezielter Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern.
Die Bilanz dieser genozidalen Kriegsführung Israels ist verheerend.
Laut „Ärzte ohne Grenzen“ wurden seit dem 07. Oktober 2023 über 61.000 Menschen getötet. Mehr als zwei Driel darunter sind Frauen und Kinder und mehr als 146.000 Menschen sind verletzt, viele davon schwer, ohne Aussicht auf Behandlung.
Denn 94% der medizinischen Einrichtungen wurden zerstört oder schwer beschädigt. Aktuell ist kein einziges Krankenhaus im Gazastreifen mehr voll funktionsfähig. Von 36 Einrichtungen sind nur noch 17 (teilweise) in Betrieb und restlos überlastet.
Das medizinische Personal ist physisch sowie psychisch am Ende. Menschen werden ohne Narkose operiert, Wunden ohne Verbandsmaterial versorgt.
Das ist keine medizinische Notlage – das ist ein Zustand der Barbarei.
Die humanitäre Lage verschärft sich täglich.
100 Prozent der Menschen in Gaza sind von akutem Hunger betroffen. Hunderttausende sind obdachlos, leben in den Trümmern ihrer Städte oder in überfüllten Notunterkünften. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Kinder wachsen in Angst, unter Bombenhagel, ohne Wasser und ohne Schulbildung auf.
Hunderte Menschenrechts- und Hilfsorganisationen sind seit Monaten laut für Gaza. Sie fordern humanitären Zugang, einen Waffenstillstand, internationale Schutzmechanismen und doch stoßen sie auf politische Ignoranz, bürokratische Hürden und offene Blockaden.
Viele dieser Organisationen riskieren dabei täglich ihr Leben.
Für Journalist:innen und humanitäre Helfer:innen ist der Gazastreifen das tödlichste Einsatzgebiet der Welt. 269 Journalisten wurden gezielt getötet, während sie klar als Presse gekennzeichnet waren. Das ist kein Kollateralschaden – das ist systematische Einschüchterung und gezielte Ausschaltung von Zeugenschaft. Der israelischen Regierung geht es gezielt um die Vernichtung von Wahrheit.
Wir dürfen nicht zulassen, dass der Zugang zu Wahrheit, zu Hilfe, zu Menschenrechten unter Bomben begraben wird. Wir als Linke haben die Aufgabe uns auf die Seite der Unterdrückten zu stellen, uns solidarisch zu zeigen und laut gegen Genozid zu werden.
Wir, als Partei die Linke fordern deswegen eine klare Haltung gegen den Völkermord und kritisieren die reine Symbolpolitik der deutschen Bundesregierung.
Die Luftbrücke über Gaza und der Stopp von neuen Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel, kommen viel zu spät und sind nicht ausreichend.
Deutschland war 22 Monate lang zweitgrößter Waffenexporteur an Israel und macht sich damit mitschuldig am Völkermord an den Palestinenser:innen. Kinder wurden mit deutscher Munition in den Kopf und in die Brust geschossen und Krankenhäuser wurden mit deutschen Waffen zerstört.
Die Linke positioniert sich klar gegen Waffenlieferungen und fordert deswegen einen konsequenten und vollständigen Waffenlieferungsstopp an Israel.
Um die Versorgung der Menschen in Gaza zu ermöglichen, muss Israel endlich den ungehinderten Zugang für Hilfsgüter freigeben. Damit dies geschieht, muss die Bundesregierung politischen Druck ausüben und das EU – Assoziierungsabkommen mit Israel aussetzen.
Außerdem braucht es eine umgehende Anerkennung des Staates Palästina durch die Bunderepublik Deutschland. Über 140 Staaten weltweit haben Palästina bereits anerkannt.
Deutschland muss endlich nachziehen und damit ein klares Signal senden: Für einen gerechten Frieden braucht es zwei Staaten mit gleichen Rechten. Ohne Anerkennung kann es keine Gerechtigkeit geben – und ohne Gerechtigkeit keinen Frieden.
Diese Forderungen sind nicht radikal – sie sind überfällig.
Sie stehen im Einklang mit internationalem Recht, mit dem humanitären Gewissen und mit der Verantwortung, die wir aus der Geschichte tragen.
Denn wenn wir heute schweigen, machen wir uns morgen mitschuldig.
Wenn wir heute wegsehen, verlieren wir unsere Menschlichkeit. Und wenn wir heute keine klare Haltung einnehmen, dann verspielen wir unsere Glaubwürdigkeit als Gesellschaft, die sich den Menschenrechten verpflichtet fühlt.
Nie wieder darf nicht selektiv gelten.
Nie wieder heißt: Nie wieder für alle.
„Wir hatten nur ein paar nötigste Dinge im Rucksack, aber kein Wasser mehr und auch nichts mehr zu Essen. Wir konnten keine Pause machen, wir mussten laufen, laufen, laufen. Überall waren Soldaten und Bomben um uns herum. Es
war so gefährlich und so ermüdend. Dieser Tag war so schwer für uns. Das schlimmste waren wirklich die leblosen Körper auf den Straßen.Ich wünschte ich könnte diese Bilder vergessen. Ich möchte, dass sie aus meinem Kopf verschwinden. Aber ich befürchte ich werde sie nie vergessen. Sie werden bis ich sterbe in meinem Kopf sein. Das ist kein schönes Gefühl. Bevor der Krieg begann hatte ich so viele Träume. Ich habe noch im August bevor der Krieg begann, einen Jahresplan gemacht, was ich alles in den nächsten Monaten erreichen will.
Ich weiß nicht, ob meine Freunde noch leben oder nicht. Ich habe einen sehr guten Freund verloren. Er ist am 3. Tag des Krieges gestorben. Das ist für mich einfach das Schlimmste, was mir der Krieg bisher angetan hat. Auch meine Großmutter ist tot. Ich kann sie nicht mal beerdigen oder mich verabschieden.
Wenn man jemanden verliert, dann verliert man auch ein Stück aus seinem Herzen. Wir haben schon so viel verloren. Unser zuhause ist zerstört, wir haben meine Oma verloren, ich habe meinen Freund verloren, ich habe meine Uni verloren. Manchmal muss ich auch einfach weinen und fühle mich schwach, obwohl ich immer versuche positiv zu sein. Am Ende bin ich einfach ein Mensch.
Ich fühle mich traurig, Ich wünsche mir von der Welt, dass sie uns fühlt. Ich wünsche mir, dass die Welt alles tut um uns diesen Krieg zu beenden. Helft uns nach Hause zu gehen, wir wünschen unser Leben zurück. Ich wünschte die Welt könnte dafür sorgen, dass unser Leben wieder so ist wie früher. Die Krankenhäuser, die Universitäten, die Schulen, die Wohnhäuser, alles ist zerstört. Ich möchte die Welt bitten dem ganzen hier Aufmerksamkeit zu
schenken.Wir haben so viel verloren. Ich möchte Gaza verlassen, um mein Studium zu beenden. Ich möchte die Dinge tun, die ich mag und zur Uni gehen.“
Dies ist ein Auszug aus einem Interview mit Aseel, einer 20-jährigen jungen
Frau aus Gaza.
Es gibt viel mehr Stimmen wie diese, die wir hier fast nie hören. Stimmen aus zerstörten Häusern, aus Krankenstationen ohne Strom, aus Zelten, in denen Kinder versuchen zu schlafen, während draußen rumgeschossen wird. Und wenn diese Stimmen es doch zu uns schaffen, werden sie sofort in Frage gestellt – von einer Öffentlichkeit, die erst Rechtfertigungen verlangt, bevor sie Mitgefühl zeigt. Von Medien, die Angriffe „gezielte Operation“ oder „präziser Schlag“ nennen – Worte, die oft direkt aus den Pressemitteilungen der israelischen Armee stammen.
Hinter diesen Begriffen verschwinden zerstörte Häuser und ganze Familien, die unter Trümmern begraben liegen. Und wenn dann doch über die Opfer in Gaza gesprochen wird, folgt fast immer: „Aber die Hamas…“ Dieses „Aber“ ist kein Zufall. Es ist ein Schutzschild, um Bombardierungen zu rechtfertigen. Es erlaubt, eine ganze Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen – und macht es möglich, einen Genozid zu„Hamas“ erklärt, kann das systematische Töten, Aushungern und Vertreiben als notwendige „Selbstverteidigung“ verkaufen. Es passt in ein rassistisches Bild, in dem Palästinenserinnen nicht zuerst als Menschen gesehen werden, sondern als potenzielle Bedrohung. Dieses Bild prägt auch das Klima hier in Deutschland. Musliminnen müssen sich ständig rechtfertigen. Frauen mit Kopftuch werden beleidigt. Wer arabisch spricht, wird bei Polizeikontrollen härter angefasst. Wer sich mit Palästina solidarisiert, wird als Risiko dargestellt.
2024 wurden in Deutschland über 3.000 antimuslimische Vorfälle dokumentiert – mehr als acht pro Tag. Besonders betroffen: Frauen mit sichtbarem Glauben und Menschen, die öffentlich für Palästina eintreten. Diese Realität ist kein Zufall. Sie wird genährt von einem Klima, in dem muslimisches Leben immer mit Erklärungsdruck verbunden ist und in dem jede Kritik an der israelischen Regierung sofort als „Verdacht auf Antisemitismus“ gilt.
In diesem Klima wird Palästina-Solidarität erstickt. Demonstrationen werden verboten, Banner abgehängt, Menschen verlieren ihre Arbeit, weil sie Solidarität zeigen. Dabei wäre genau das – Solidarität zeigen – das, was wir dringend brauchen. Die Menschen dort leiden und sterben Tag für Tag, in einem Konflikt, für den sie nichts können und den sie nicht wollen. Sie sind nicht anders als wir.
Wir können so oft wie wir wollen auf die Straße gehen, Solidarität und Frieden fordern – doch am Ende fallen diese Forderungen auf taube Ohren und blinde Augen eines Systems, das Unsummen mit Waffenlieferungen in diesen Konflikt verdient. Wenn wir diesen Konflikt weiter als fernes Ereignis betrachten, bleibt unser Mitgefühl machtlos.
Wir dürfen nicht vergessen, dass ihr Kampf gegen Krieg auch unser Kampf gegen Krieg ist. Es reicht nicht, nur die Symptome zu verurteilen, wir müssen uns auch den Strukturen stellen, die immer wieder Kriege möglich machen: Ausbeutung, Unterdrückung, Ungleichheit. Nur wenn wir diese Mechanismen in Frage stellen, können wir echte Solidarität leben – eine, die über Worte hinausgeht.
Wir sagen klar: Die israelische Regierung ist nicht gleichzusetzen mit jüdischen Menschen.
Jüdinnen und Juden tragen keine Verantwortung für deren Handeln.
Antisemitismus ist niemals zu rechtfertigen.
Dennoch: Kritik an Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist keine Feindseligkeit, auch dann nicht, wenn es um Israel geht.
Kritik an einer Terrorregierung ist ein Gebot der Menschlichkeit!