Liebe Leute,
ich möchte mich bei Gerhard Blankenburg bedanken. Unser Mitstreiter für soziale Gerechtigkeit, der langjährige DGB-Vorsitzende und immer aktive Verteiler unserer Courage-Flyer ist in der Nacht von Montag auf Dienstag im Alter von fast einundneunzig Jahren verstorben. Wir danken ihm und werden in seinem Sinne weitermachen.
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Charles Werabe wurde nur 55 Jahre alt.
Das schwarze Schwein – das schwarze Arschloch – vertreiben aus der Unterkunft – Totschlagen – Heil Hitler – rechte Gesänge.
Wir wissen mehr über Tat und Täter als über das Opfer, über Charles Werabe.
Er war dreizehn Jahre, hat bei uns Zuflucht gesucht vor den Krisen und Kriegen in seiner Heimat, die bis heute unter den Folgen der deutschen und belgischen Besatzung leidet.
Charles Werabe hat versucht, bei uns Fuß zu fassen, eine Lehre begonnen und ist gescheitert. Er hat niemandem etwas getan. Wir wissen nicht, ob er ein „regulärer“ oder ein „irregulärer“ Migrant war.
Das wußte er sicher auch selber nicht, und es ist auch egal, mir jedenfalls.
Wer Charles Werabe war, was er erlebt hat, was er wollte und was er konnte – all das zählt nicht in diesem Land.
Heute morgen habe ich im Internet eine feinsinnige Betrachtung gelesen, ob die Mörder Charles Werabes aus Fremdenfeindlichkeit oder aus Rassismus gehandelt hätten.
Da komme ich nicht ganz mit. Was wir hier erleben ist Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Und abseits aller Nuancierungen führen beide in den gewalttätigen Abfgrund.
Das wichtigste deutsche „Narrativ“ ist doch: „Wir“ haben ein Zuwanderungsproblem.
Flüchtlingsabwehr und Abschiebung wollen alle, ob Spahn oder Scholz, ob Merz oder Faeser, Kretschmann oder Höcke. Und eben auch: die Täter aus der Brückengasse. Jeder auf seine Weise.
Wie so etwas funktioniert? Sechs Tage (!) nach dem Attentat von Solingen legt die Bundesregierung ein sogenanntes „Sicherheitspaket“ auf den Tisch.
Und der „wichtigste Punkt“ – so die FAZ – ist mal wieder die Streichung von Sozialleistungen für Asylbewerber “. Was hat das mit Solingen zu tun? Das muß man nicht verstehen, das ist ein „Narrativ“. Logisches Denken abgeschaltet.
Vermeintliche Mitte und ganz Rechte unterscheiden sich noch ein wenig.
Nämlich da, wo und wieviel Gewalt angewendet werden soll, um Flüchtlinge fernzuhalten: An der türkischen Grenze, in der tunesischen Wüste, an den EU-Außengrenzen, im Mittelmeer, an den bundesdeutschen Grenzen … oder eben auch im Lande.
Nur: der Tod wartet überall.
Die Menschenfeindlichkeit dieses Zuwanderungs-„Narrativs“ wird dann deutlich, wenn es darum geht, für den deutschen Arbeitsmarkt gut ausgebildete Kräfte aus dem globalen Süden anzuwerben.
Die kommen lebend an ihren Arbeitsplatz.
Die einen sind nützlich und dürfen kommen, die anderen dürfen ersaufen oder verdursten. Menschen aus dem globalen Süden als Mittel zum Zweck hiesiger Politik und Wirtschaft.
Ruanda, von wo Charles Werabe zu uns floh, hat die doppelte Bevölkerungsdichte wie Deutschland. Jetzt ist das Land als Abschiebestation der Heilsbringer auch für deutsche Politik.
Vielleicht (!) hätte ja Charles Werabe auch ein 100-Milliarden-Sondervermögen für Bildung und Integration geholfen, bei uns Fuß zu fassen?
Ist man ein weltfremder Spinner, so etwas vorzuschlagen?
Eine wirkliche Kehrt-Wende in der Bildungs- und Sozialpolitik wäre ein starker Beitrag gegen die Fremdenfeindlichkeit und den Rassismus der Dumpfbacken und ihrer Stichwortgeber. Ein Beitrag gegen Armut und Ungleichheit, die das Klima vergiften.
Anstelle von immer mehr „Narrativen“, anstelle von medialen Furcht- und Haßkampagnen, wäre das eine eine Chance für ein friedlicheres, ein gedeihliches Zusammenleben.
Das brauchen wir in Limburg, das brauchen wir im ganzen Land, damit es niemandem mehr ergeht, wie Charles Werabe!