Der Hitlerismus ist eine spezifisch deutsche Sache, Faschismus gab und gibt es auch anderswo. Der zum Vizeaußenminister beförderte ukrainische Botschafter in Berlin, Melnyk, tat sich durch Ablage von Blumen am Grab eines Stepan Bandera hervor, nach dem heute wieder Straßen und Plätze in der Ukraine benannt werden.
Was Banderismus ist, erläutert die Junge Welt in einem kurzen Abriß:
Kernelemente dieser Ideologie waren die Überzeugung, dass der ukrainischen Nation auf ihrem Gebiet der Vorrang gebühre und dass sie sich von allen Einflüssen ihrer Nachbarkulturen – insbesondere der russischen und der polnischen – emanzipieren müsse. Die Befreiung der Ukrainer könne nur ein Akt der Gewalt sein, und die Bewegung brauche daher eine autoritäre Binnenstruktur nach dem Führerprinzip. Auch militanter Antisemitismus gehörte zum Programm und bekam später unter der deutschen Besatzung der Ukraine praktische Betätigungsgelegenheit.
Grundlage der Entwicklung des ukrainischen Nationalismus war der Umstand, dass die ukrainische Nationalbewegung bei der Aufteilung der multinationalen Imperien in Nationalstaaten im Gefolge des Ersten Weltkriegs zu spät und zu kurz kam. Während in der frühen Sowjetunion die Leninsche Nationalitätenpolitik dem ukrainischen Nationalismus einige Konzessionen machte und ihn so einzubinden versuchte, war die ukrainische Bevölkerung im Zwischenkriegspolen einer rabiaten Assimilierungspolitik ausgesetzt. Ihr Nationalismus formierte sich daher vor allem antipolnisch. Die 1929 im Prager Exil gegründete »Organisation Ukrainischer Nationalisten« (OUN) verübte Banküberfälle und liquidierte polnische Staatsbedienstete bis hin zum 1934 ermordeten Innenminister Bronislaw Pieracki. Bandera hat dieses Attentat organisiert, aber nicht persönlich ausgeführt. Er kam dafür in Haft, aus der ihn der deutsche Angriff 1939 befreite.
Die ökonomische Perspektivlosigkeit der polnischen Ostgebiete begünstigte gemeinsam mit der restriktiven Sprach- und Kulturpolitik Polens die Radikalisierung des ukrainischen Nationalismus. Bandera hatte sich als »Macher« und »Märtyrer« in der OUN einen solchen Ruf erworben, dass er sie 1940 spalten und seine Fraktion als die »Bandera-Leute« (Banderiwzi) definieren konnte.
Nach der deutschen Okkupation Polens und der Sowjetukraine kollaborierten alle Fraktionen des ukrainischen Nationalismus mit den Deutschen, weil sie sich davon Chancen für ihren ukrainischen Staat erhofften. Diese Hoffnung wurde zwar enttäuscht; aber zuvor hatten die ukrainischen Faschisten schon Tausende jüdische Bürger selbst ermordet oder dazu Handlangerdienste geleistet. Bandera selbst war ab Sommer 1941 im KZ Sachsenhausen interniert, wenn auch unter privilegierten Bedingungen. Im Herbst 1944 wurde er freigelassen, um im Hinterland der Roten Armee eine ukrainische Partisanenarmee aufzustellen. Hierzu kam es aber nicht mehr; Bandera rettete sich mit Hilfe von Förderern im »Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete« nach Bayern und trat in die Dienste des US- und des britischen Geheimdienstes, später auch des BND. 1959 wurde er von einem sowjetischen Agenten in München ermordet. Die Mitglieder seiner Organisation emigrierten zum größten Teil nach Kanada und in die USA, wo sie eine Generation lang die Kader für die antirussische Neuformierung der unabhängigen Ukraine heranbildeten. 1991 war ihre Stunde gekommen.