27.02.2022 Was ist noch schlimmer als der Krieg?

Diese Frage durfte noch vor dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine der preisgekrönte, als „Star-Politologe“ gehandelte Ivan Krastev in der Süddeutschen Zeitung stellen. Und er fand auch die Anwort:

„Europa glaubt, dass Putin etwas noch Schlimmeres als einen Krieg plant: die Nato und die ganze westliche Allianz zu spalten.“

Und wie vereitelt man die Spaltung eines „hirntoten“ (Emanuel Macron) Kriegsbündnisses? Man baut den Bösewicht auf, gegen den jede Aufrüstung, jeder Kriegseinsatz akzeptabel erscheint – dafür kann man schon mal die Ukrainer:innen ins Feuer laufen lassen.

Warum sonst hat acht Jahre lang niemand wirklichen Druck auf die Ukraine ausgeübt, dem Minsker Abkommen zu folgen und den schwelenden Kleinkrieg mit 14000 Toten im Osten des Landes zu beenden?

Und US-Präsident Bidens Gestottere vor der Presse im Januar war kein Unfall, sondern die Message an Putin: Mach nur – wenn Du angreifst, räumen wir mehr als nur NordStream-2 ab! Krastev schreibt weiter:

„Gerade ein russischer Überfall auf die Ukraine könnte paradoxerweise die derzeitige europäische Ordnung retten.“

Gemeint ist eine europäische Ordnung nach den Vorgaben der US-regelbasierten Mehrwertgemeinschaft, mit ihren Truppen rund um die russischen Grenzen unter Ausschluß Rußlands – also das Gegenteil des „gemeinsamen europäischen Hauses“ mit gemeinsamer, gleicher Sicherheit für alle Seiten.

„Die Nato hätte keine andere Wahl, als mit Nachdruck zu reagieren, strenge Sanktionen zu verhängen und mit entschlossener Einigkeit zu handeln.“

Süddeutsche Zeitung, 09.02.2022 (alle Zitate)

Ja, Krastev hatte recht: Die laufende Bundestagsdebatte beweist es. Heute machen Bundesregierung und Bundestag den Weg frei für eine neue Runde des Wettrüstens, der Waffenexporte und des Sozialabbaus. Schuld daran ist Putin und nicht etwa das eigene, notorische Versagen in der Außen-, Wirtschafts-, Klima- und Coronapolitik.

Ob er das alles bedacht hatte, der „machtbesessene“, „kaltblütige“, „wahnsinnige“, „taktierende“, „drogenabhängige“, „hinterhältige“ russische Präsident, als er den Angriffsbefehl erteilte?

Wie auch immer: Wenn Selenskyi nicht nach Minsk und Putin nicht nach Warschau reisen will, dann sollte Scholz in Berlin einen großen Tisch aufstellen und schauen, wie er die Verhandlungsführer dorthin bekommt. Reden muß man, nicht rüsten.

PS: Es ist sechs Monate her, dass die NATO-Verbündeten ihren Angriffskrieg gegen Afghanistan nach zwanzig Jahren und zweihunderttausend Toten mit ihrem überstürzten Rückzug beendeten.

Heute und diese Woche